Im Porträt

Christa Dettmar

Liebe Frau Dettmar, Sie arbeiteten 29 Jahre lang als Gemeindehelferin in der St. Simeon-Kirche. Woran denken Sie dabei zurück?

Ich denke an die Freude an der Arbeit und an die Gemeinschaft mit den Kollegen und mit meinem Vorgesetzen, Pfarrer Cyris. Die Arbeit war sehr vielseitig und ich konnte sehr selbstständig arbeiten. Ich war in erster Linie für den Besuchsdienst verantwortlich, und leitete Gruppen und Kinderfreizeiten. Mit den Senioren fuhr ich einmal nach Kochel am See. Zuerst war ich von 1975-78 halbtags für die Arbeit mit Kindern angestellt. In den zwei darauffolgenden Jahren bildete ich mich berufsbegleitend zur Erzieherin fort. Gerne denke ich an den Kindergottesdienst zurück. Wir haben Rollenspiele zu biblischen Geschichten gemacht. Bei Fortbildungen hatte ich mir Anregungen geholt. Ganz spannend fand ich es, in den Kindergarten zu gehen. Dort habe ich jede Woche biblische Geschichten erzählt. In der Seniorenarbeit baute ich den Seniorentanz mit auf. Noch heute gibt es zwei Seniorinnen, die damals schon in meiner Gruppe waren, Frau Leithold und Frau Stolzenberg. Somit war ich dann meine halbe Stelle auch ausgefüllt. Egal, was gerade anstand, ich habe es gerne gemacht und es hat mir viel Freude bereitet.

Was taten Sie, bevor Sie die Ausbildung zur Erzieherin machten?

Ich wurde nach der 9. Klasse mit 14 Jahren aus der Schule entlassen und arbeitete in der Fabrik in der Feinkartonagen-Verarbeitung als Schachtelkleberin. Das schwarzweiß-Foto zeigt mich als Konfirmandin im damals noch unbebauten Böckler-Park.

Außerdem war ich in einer Buchbinderei tätig. Später, als meine Tochter geboren war und sie mit drei Jahren in den Kindergarten ging, arbeitete ich im KaDeWe als Verkäuferin für Kunstgewerbe. Dann habe ich einmal im „Beamteneinkauf“ als Kontoristin gearbeitet. Dort konnten früher nur Beamte einkaufen. Das hat sich später geändert. Ich war in der Abteilung für Seifenartikel die Auffüllerin der Regale. Dann suchten sie eine Bürokraft, und ich erhielt die Stelle als Kontoristin, obwohl ich den Beruf nicht gelernt hatte. Ich prüfte Rechnungen und hatte mit den Lieferanten zu tun. Danach kam ich in die St. Simeon-Gemeinde. Das war 1975. Dort arbeitete ich bis zum Eintritt ins Rentenalter im Jahr 2004.

Sie fuhren oft in die Communität der Christusbruderschaft nach Selbitz – wie kam es dazu?

Meine Tochter war etwa 16 Jahre alt, als sie nicht mehr mit mir verreisen wollte. Das ist ja in dem Alter normal. In dieser Zeit erzählte mir eine Freundin, Frau Martens, von der Gemeinschaft in Selbitz. Frau Martens war die frühere Gemeindehelferin in St. Simeon. Ihr Mann war der Pfarrer der benachbarten Melanchthon-Gemeinde. Dann bin ich mal so Probeweise nach Selbitz gefahren. Der kleine Ort liegt in Oberfranken zwischen Bad Steben und Hof. Die Christusbruderschaft in Selbitz wurde 1948 vom Pfarrerehepaar Hümmer gegründet. In Selbitz hat es mir so gut gefallen, dass ich schon zu jeder Jahreszeit dort war: über mehrere Jahre, sei es zu Schweigefreizeiten oder zu Seniorenfreizeiten. Das hat meinen Glauben wieder gefestigt und hat mir viel Kraft gegeben: Kraft im Glauben. Ich erlebte eine sehr gute Gemeinschaft dort. Und obwohl ich heute nicht mehr nach Selbitz fahren kann, bin ich noch immer mit zwei Schwestern der Gemeinschaft in Freundschaft verbunden. In Selbitz habe ich auch gemalt. Die Schwestern waren immer ganz interessiert an meiner Malerei. In Selbitz gibt es eine bekannte Malerin, Schwester Christamaria Schröter. Sie hat Meditationsbilder und Glasfenster für Kirchen gemalt und Bücher veröffentlicht. Eines Tages habe ich einfach mal gefragt, ob ich sie in ihrem Atelier besuchen darf. Eigentlich lässt sie niemanden zu sich, sie ist ja auch schon um die 80. Aber ich hatte ein kleines Schreiben zum Ordenshaus geschickt. Der Besuch bei ihr war ein unvergessliches Erlebnis: Insgesamt nahm sie sich anderthalb Stunden für mich Zeit, das hat mich überwältigt. Sie war sehr interessiert an mir, ist auf mich und mein Malen eingegangen. Zu dieser Zeit war sie mit drei Entwürfen für den Altar einer Kapelle in einer Klinik beschäftigt. Sie fragte mich, welches Bild ich wählen würde und warum. Ich fühlte mich in diesem Gespräch vollkommen akzeptiert, obwohl ich meinen ganzen Mut zusammennehmen musste, sie anzusprechen. Ich glaube, ganz wenige Menschen besuchen sie in ihrem Atelier, selbst die anderen Schwestern nicht. Das war außergewöhnlich und unvergesslich. Da war ich sehr glücklich.

Sie leiten die Malgruppe „Pinselschwinger“, gemeinsam mit Rainer Bloschies. Wie kamen Sie dazu?

Zum ersten Mal malte ich in der Volkshochschule. Bis dahin hatte ich überhaupt keine Erfahrung. Aber ich konnte gut mit Farben umgehen. Das hat mir Spaß gemacht. Zu der Zeit hatte ich auch einmal im Monat Gemeinde-Ausflüge organisiert, zum Beispiel in den Tiergarten oder Museumsbesuche. Als mein Mann krank wurde, konnte ich das nicht mehr. Das Malen machte mir so einen Spaß, dass ich anstelle von Ausflügen zum Malen nach St. Simeon einlud. Wir waren anfangs sechs Leute, darunter Rainer Bloschies, Martina Neumann und Wolfgang Durst. Martina Neumann gab uns den Namen: die Pinselschwinger. Die Gruppe besteht seit 2006. Später nahmen wir an einer Ausstellung in der Volkshochschule teil.

Sie malen aber nicht nur, sondern Sie fotografieren auch gerne...

Fotografiert habe ich schon immer gerne. Meine verstorbene Schwägerin sagte einmal: Du fotografierst so, dass man wirklich jede Falte sieht. Und in der Tat, ich bin immer gerne ganz dicht rangegangen, habe genau hingesehen, und gleichzeitig versucht, dass der Andere gut dargestellt war. Auch Landschaft fotografiere ich gerne, besonders gerne Wintermotive. In einem Winterurlaub in Grainau in Oberbayern in der Nähe der Zugspitze ließ ich meine Bilder entwickeln, und als die Wirtin sie sah, war sie so begeistert, da ließ ich sie gleich bei ihr. Das war auch der Urlaub, in dem ich mich mutigerweise einer Schnee-Wandergruppe mit Schneeschuhen anschloss. Das war eine Tagestour mit Lawinengefahr. Die Wanderung war unglaublich anstrengend, aber auch unvergesslich schön. In Erinnerung ist mir vor allem eine vollkommen vereiste Skihütte mit Tausenden Eiszapfen.

Was bewegt Sie heute?

Mit dem Älterwerden lebe ich immer mehr in der Erinnerung, sie gehört zu meinem Leben. Ich betrachte jeden Tag als Geschenk und möchte jeden Tag genießen. Auch wenn ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr alles mitmachen kann, wünsche ich mir, dass ich regelmäßig die Gottesdienste besuchen kann, dass ich so lange wie möglich bei den Pinselschwinger malen kann. Und beim Volksliedersingen mitmachen. In der Kirchengemeinde erlebe ich eine Gemeinschaft mit guten Kontakten, das ist mir ganz wichtig. Diese Gemeinschaft tut mir gut.

Was unterscheidet die Gemeinschaft, die Sie beschreiben, von anderen?

Ich erlebe die Gemeinschaft im kirchlichen Bereich als sehr rücksichtsvoll. Hier wird man in der Regel mit offenen Armen empfangen. Diese Gemeinschaft ist vom christlichen Menschenbild geprägt, dass jede und jeder eine Würde hat und alle mit ihrer je eigenen Geschichte kommen dürfen und einen Platz haben, egal wo sie herkommen. Auch bei uns Pinselschwingern ist jeder willkommen, wir begegnen Menschen unvoreingenommen. Bei uns gibt es weniger Klatsch und Tratsch. Man ist einfach da und hat das Gefühl, dazuzugehören.

Liebe Frau Dettmar, ich danke Ihnen für das Gespräch!

Das Interview führte Pfarrer Christoph Heil.