04/04/2025 0 Kommentare
So viele Gottesdienste – und nun bin ich dann mal weg: zum Abschied von Ingo Schulz
So viele Gottesdienste – und nun bin ich dann mal weg: zum Abschied von Ingo Schulz
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So viele Gottesdienste – und nun bin ich dann mal weg: zum Abschied von Ingo Schulz
Von Ingo Schulz
Seit ungefähr 47 Jahren spiele ich Gottesdienste, die meiste Zeit sehr regelmäßig. Weit über 2.000 Gottesdienste kommen da zusammen, über 11.000 Lieder habe ich gespielt, gesamt deutlich mehr als 20.000 Stunden an der Orgel verbracht.
Bei den meisten dieser Gottesdienste habe ich mich nicht als „Musikdienstleister“ gefühlt, sondern als Teil einer guten Botschaft, und ich habe viele Anregungen durch Texte und Form erhalten.
Das war nicht immer so.
In meiner Kindheit war ich traditionell mit der Familie am Heiligabend in der Kirche – und ich erinnere nur, dass es kühl und langweilig war und dass es die Bescherung verzögerte.
Kindergottesdienst-Versuche mit Ausmalbildern, die man nur bekam, wenn man da war (wer gefehlt hatte, hatte eine Lücke in der Josephsgeschichte) waren nur ein kurzer, unwilliger Exkurs am Freitagnachmittag.
Das änderte sich mit dem Wechsel zum Gymnasium, also in der fünften Klasse. Plötzlich wollte ich, der bis dahin außer viel häuslichem Gesang mit der Mutter, dem damals üblichen Kindergarten-Laurentia und heftigem Volkslied-Singen in der Grundschule nichts mit Musik am Hut hatte, Blockflöte lernen. Meine Eltern haben sich zum Glück darauf eingelassen. Unterricht in der Kleinstadt? Bei der Frau des Kirchenmusikers, was sonst?
Dann ging es recht schnell: Flügelhorn, Orff-Instrumente, Klavier, Orgel.
Schnell wurden dann auch Gottesdienste „normal“ und es gab einen recht geschickten Prediger, der auch liturgisch interessiert war und toll im Team mit meinem Lehrer arbeitete.
Mit 16 dann die erste feste Stelle als Organist in einem nahegelegenen Dorf, mit 17 Dauervertretung des länger erkrankten Lehrers.
Dann die Studienwahl: Mathe/Physik oder Kirchenmusik? Die Kirchenmusik hat gewonnen, obwohl klar war, dass ich da härter arbeiten musste.
Im ersten Studium wurde ich zum regelmäßigen Gottesdienstbesucher – um die Musik meines neuen Lehrers zu hören. Es gab auch manchmal eine gute Predigt, aber darauf war kein Verlass.

In Berlin, während des weiteren Studiums, habe ich dann sehr schnell das Angebot bekommen, regelmäßig in der Ölberg-Kirche zu spielen. Dort bin ich geblieben, über fast 40 Jahre. Das Umfeld hat sich geändert, aber zusammen mit Pfarrer Jörg Machel, der erst kurz vor mir dort angefangen hatte, gab es eine lange gute Zeit.
Wenn ich nicht hätte spielen müssen, wäre ich sicher auch häufiger „einfach so“ mal in den Gottesdienst gekommen. Aber diese Frage stellte sich nicht.
Was muss ein Gottesdienst bieten, der mich anlockt?
Natürlich hochkarätige Musik, die aber nicht nur technisch einwandfrei dargeboten wird, sondern – noch wichtiger – eine Aussage hat und/oder die Seele stärkt. Eine glaubwürdige Form mit einer Predigt, die den Geist anregt und Impulse zum Denken und/oder Handeln gibt, sollten aber auch nicht fehlen.
Hohe Ansprüche, ja, aber warum sollten wir uns mit weniger zufrieden geben, wenn es aktuell mit so gut ausgebildeten Fachkräften in Deutschland noch möglich ist, das zu bieten?
Meine lange Gottesdienst-Geschichte endet hier erst einmal. Ab 1. Mai bin ich im Vorruhestand und davor habe ich noch Resturlaub.
Ich bedanke mich bei allen, die meine Musik dankbar und kritisch all die Jahre begleitet haben, davon allein 39 Jahre in der Ölberg-Kirche.
Es war eine gute Zeit mit euch.
Ich grüße mit einer kleinen Collage, die Töne müsst ihr diesmal selbst erfinden:
Verleih uns Frieden, du Sonne der Gerechtigkeit, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Tschüß!
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