04/04/2025 0 Kommentare
Bibliolog als Predigt im Gottesdienst - Alle dürfen, niemand muss etwas sagen.
Bibliolog als Predigt im Gottesdienst - Alle dürfen, niemand muss etwas sagen.
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Bibliolog als Predigt im Gottesdienst - Alle dürfen, niemand muss etwas sagen.
Von Christoph Heil
Im Gottesdienst predigen bedeutet ja üblicherweise, dass jemand das Ergebnis seiner Beschäftigung mit einem Bibeltext der Gemeinde mitteilt. Die Gemeinde macht sich ihre Gedanken zu dem, was in der Predigt gehört wird.
Eine etwas andere Art zu predigen ist die Form des „Bibliologs“: Statt einen Vortrag zu halten, nimmt der Prediger die Gemeinde mit hinein in einen Bibeltext und erkundet ihn mit allen gemeinsam von innen heraus – eine Art Dialog mit der Bibel, bei dem die Hörerinnen und Hörer zu Wort kommen dürfen.
Ich habe die Methode im vergangenen Jahr sehr zu schätzen gelernt und möchte demnächst zu einer Bibliolog-Predigt in einem unserer Gottesdienste einladen. Natürlich gibt es zu Beginn der Predigt eine kurze Einführung, aber damit sich alle auch vor Beginn des Gottesdienstes etwas darunter vorstellen können, fasse ich hier den Ablauf schon mal kurz zusammen:
Während der Bibliolog-Predigt lese ich einen biblischen Text vor und unterbreche bewusst an bestimmten Stellen. Dann lade ich alle ein, sich mit einer biblischen Gestalt zu identifizieren und in der „Ich-Form“ deren Gedanken und Gefühle in Worten zu formulieren. So wird der biblische Text aus unterschiedlichen Perspektiven heraus gemeinsam interpretiert.
Wer etwas sagen möchte, hebt die Hand, und ich trete dann dazu, als Zeichen, dass die Person jetzt etwas beitragen kann. Das darf durchaus leise und knapp sein, ich sage es danach noch einmal in meinen Worten laut für alle.
Wichtig dabei ist: Alle dürfen, aber niemand muss etwas sagen – den Bibliolog stumm für sich zu vollziehen, ist genauso wertvoll. Aber eine gemeinsame Auslegung gibt es nur, wenn einige auch laut mitmachen, ich bin also auf die Hilfe der Gemeinde durchaus angewiesen.
Und: Alle Äußerungen sind gleichermaßen wertvoll und wichtig – egal ob sich jemand theologisch gebildet fühlt, sich in der Bibel auskennt oder nicht – jede Antwort hilft uns, den Text noch ein wenig besser zu verstehen.
Sowohl durch die eigenen Beiträge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer als auch durch das Zuhören derer, die sich nicht aktiv beteiligen möchten, wird so ein ganzheitliches Erleben der Geschichte möglich.
Die Grundidee beim Bibliolog besteht also darin, dass die Beteiligten aus der Perspektive verschiedener Charaktere der Geschichte heraus sprechen. Als Moderator verstärke und vertiefe ich die Äußerungen und führe die Geschichte weiter.
Die Stärke des Bibliologs ist, dass er den biblischen Text verlangsamt und dadurch unterschiedliche Ebenen der Wahrnehmung und Aneignung ermöglicht.
Die Methode entstand in den 1990er Jahren in Nordamerika. Die Verbreitung in Deutschland wurde von der deutschen evangelischen Theologin und Professorin Uta Pohl-Patalong und ihrem Mann Stephan Pohl-Patalong befördert.
Beispiele für einen Bibliolog und ein Video gibt es auf der Internetseite des internationalen Bibliolog-Netzwerkes (BNI): https://www.bibliolog.org
Ich freue mich auf die ersten Bibliolog-Erfahrungen mit Euch und Ihnen.
Ein konkreter Termin für die Predigt im Bibliolog wird hier demnächst bekannt gegeben.
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